Montag, 8. November 2021

Plinius Secundus - Der Christenbrief, epistula 96 (deutsche Übersetzung)

Plinius Secundus - Der Christenbrief, epistula 96 (deutsche Übersetzung)


Jeder Satz ist nummeriert - die entsprechende Übersetzung steht unter dem lateinischen Text. 

Lateinischer Text 


1 Sollemne est mihi, domine, omnia de quibus dubito ad te referre.

 

2 Quis enim potest melius vel cunctationem meam regere vel ignorantiam instruere?

 

3 Cognitionibus de Christianis interfui numquam: ideo nescio quid et quatenus aut puniri soleat aut quaeri.

 

4 Nec mediocriter haesitavi, sitne aliquod discrimen aetatum, an quamlibet teneri nihil a robustioribus differant; detur paenitentiae venia, an ei, qui omnino Christianus fuit, desisse non prosit; nomen ipsum, si flagitiis careat, an flagitia cohaerentia nomini puniantur.

 

5 Interim, iis qui ad me tamquam Christiani deferebantur, hunc sum secutus modum.

 

6 Interrogavi ipsos an essent Christiani.

 

7 Confitentes iterum ac tertio interrogavi supplicium minatus; perseverantes duci iussi.

 

8 Neque enim dubitabam, qualecumque esset quod faterentur, pertinaciam certe et inflexibilem obstinationem debere puniri.

 

9 Fuerunt alii similis amentiae, quos, quia cives Romani erant, adnotavi in urbem remittendos.

10 Mox ipso tractatu, ut fieri solet, diffundente se crimine plures species inciderunt.

 

11Propositus est libellus sine auctore multorum nomina continens.

 

12 Qui negabant esse se Christianos aut fuisse, cum praeeunte me deos appellarent et imagini tuae, quam propter hoc iusseram cum simulacris numinum afferri, ture ac vino supplicarent, praeterea male dicerent Christo, quorum nihil cogi posse dicuntur qui sunt re vera Christiani, dimittendos putavi.

 

13 Alii ab indice nominati esse se Christianos dixerunt et mox negaverunt; fuisse quidem sed desisse, quidam ante triennium, quidam ante plures annos, non nemo etiam ante viginti. 

 

14 quoque omnes et imaginem tuam deorumque simulacra venerati sunt et Christo male dixerunt.

 

15 Affirmabant autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante lucem convenire, carmenque Christo quasi deo dicere secum invicem seque sacramento non in scelus aliquod obstringere, sed ne furta ne latrocinia ne adulteria committerent, ne fidem fallerent, ne depositum appellati abnegarent.

 

16 Quibus peractis morem sibi discedendi fuisse rursusque coeundi ad capiendum cibum, promiscuum tamen et innoxium; quod ipsum facere desisse post edictum meum, quo secundum mandata tua hetaerias esse vetueram.

 

17 Quo magis necessarium credidi ex duabus ancillis, quae ministrae dicebantur, quid esset veri, et per tormenta quaerere.

 

18 Nihil aliud inveni quam superstitionem pravam et immodicam.

19 Ideo dilata cognitione ad consulendum te decucurri.

 

20 Visa est enim mihi res digna consultatione, maxime propter periclitantium numerum.

 

21 Multi enim omnis aetatis, omnis ordinis, utriusque sexus etiam vocantur in periculum et vocabuntur.

 

22 Neque civitates tantum, sed vicos etiam atque agros superstitionis istius contagio pervagata est; quae videtur sisti et corrigi posse.

 

23 Certe satis constat prope iam desolata templa coepisse celebrari, et sacra sollemnia diu intermissa repeti passimque venire victimarum, cuius adhuc rarissimus emptor inveniebatur.

 

24 Ex quo facile est opinari, quae turba hominum emendari possit, si sit paenitentiae locus.

 

Deutsche Übersetzung

1 Ich habe die Angewohnheit, Herr, dir alles zu berichten, worüber ich Zweifel habe. (alt.: worüber ich zweifle.)

 

2 Wer kann denn besser entweder mein Zaudern regieren/lenken oder meine Unwissenheit belehren?

 

3 Ich war niemals bei Gerichtsverhandlungen gegen Christen, deswegen weiß ich nicht, was und (in)wieweit man zu bestrafen oder zu untersuchen pflegt.

 

4 Ich bin ziemlich unsicher gewesen, ob es irgendeinen Unterschied des Alters gibt, oder ob sich die ganz jungen Menschen in Nichts von den Erwachsenen unterscheiden; ob Gnade bei Reue gegeben werden soll, oder ob es dem, welcher überhaupt (einmal) Christ war, nützen soll, abgelassen zu haben; ob der Name selbst, (auch) wenn er frei ist von Verbrechen oder ob die Verbrechen, die mit dem Namen in Verbindung stehen, bestraft werden sollen.

 

5 Unterdessen habe ich bei denen, welche bei mir als Christen angeklagt wurden, dieses Verfahren angewandt.

 

6 Ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien.

 

7 Ich habe die Geständigen ein zweites und ein drittes Mal gefragt, unter Androhung von Strafe; ich befahl, dass die Beharrlichen zur Hinrichtung geführt werden.

 

8 Und ich bezweifle nicht, dass der Eigensinn und der unbeugsame Starrsinn gewiss bestraft werden müssen, wie auch immer beschaffen ist, was sie gestehen. (sinngemäß = was auch immer es sei, was sie eingestanden.)

 

9 Andere waren von ähnlichem Wahnsinn, welche ich, weil sie römische Bürger waren, zur Überstellung nach Rom („in die Stadt“) vormerkte.

 

10 Bald ergaben sich im Laufe des Verfahrens, wie es zu geschehen pflegt, viele Fälle, weil die Anschuldigungen sich ausdehnten.

 

11 Es wurde eine anonyme Schrift vorgelegt, die die Namen vieler enthielt.

 

12 Ich habe geglaubt, dass diejenigen freigelassen werden müssen, die verneinten, dass sie Christen seien oder gewesen sind, da sie nach meinem Vorbild die Götter anbeteten und vor deinem Bild mit Weihrauch und Wein opferten, welches ich zu diesem Zweck mit den Götterbildern zu bringen befohlen hatte, außerdem schmähten sie Christus, (Dinge,) von denen man sagt, dass diejenigen, die wahre Christen sind, zu nichts Derartigem gezwungen werden konnten.

 

13 Andere, da sie von einem Denunzianten genannt worden waren, bekannten, Christen zu sein und verleugneten bald darauf; sie seien es zwar gewesen, hätten dann aber davon abgelassen, manche vor drei Jahren, manche vor mehreren Jahren, einzelne sogar vor zwanzig Jahren.

 

14 Diese haben auch alle sowohl dein Bild als auch die Bilder der Götter angebetet und über Christus schlecht gesprochen.

 

15 Sie gaben zu, dass aber diese Sache die höchste entweder bei ihrer Schuld oder Irrtums gewesen sei, dass die gewohnt waren, an einem festgesetzten Tag bei Tagesanbruch zusammenzukommen und Christus wie Gott miteinander abwechselnd Lobpreis zu singen, und dass sie sich durch Eid verpflichtet hatten, keine Verbrechen zu begehen, aber sie hätten keine Diebstähle, noch Räubereien, noch Ehebrüche begangen, sie hätten das Wort nicht gebrochen, (und dass sie) nicht verweigerten, nach Aufforderung anvertrautes Gut zurückzugeben.

 

16 Nachdem diese ausgeführt worden waren, war es bei ihnen Brauch, auseinanderzugehen und wieder zusammenzukommen, um Speise einzunehmen, einer jedoch gewöhnlichen und harmlosen; dass sie dieses selbst zu tun gemäß meiner Bekanntmachung aufgaben, durch den ich gemäß deiner Befehle Geheimbünde verboten hatte.

 

17 Ich hielt es für umso notwendiger, aus zwei Mägden, die „Dienerinnen“ genannt wurden, was wahr sei, auch durch Folter zu erfragen.

 

18 Ich fand nichts anderes als verworrenen und maßlosen Aberglauben.

 

19 Deswegen wendete ich mich an dich, um nach Rat zu fragen, nachdem ich die Verhandlungen vertagt hatte.

 

20 Die Sache schien mir der Beratung wert zu sein, besonders wegen der Zahl der Angeklagten.

 

21 Nämlich viele aller Lebensalter, aller Stände und auch aus beiderlei Geschlechtern erwarten eine Anklage und werden sie erwarten.

 

22 Die Seuche dieses Aberglaubens hat sich so weit ausgebreitet nicht nur in den Städten, sondern auch in den Dörfern und über das Land; es scheint, dass sie eingedämmt und in die richtige Richtung geleitet werden kann.

 

23 Es steht ausreichend sicher fest, dass schon bei den Tempeln angefangen wurde, zu feiern und unterbrochene jährliche Feiern wieder erneuert werden und überall findet das Fleisch der Opfertiere Absatz, für das bisher sehr selten ein Käufer gefunden wurde.

 

24 Deshalb kann leicht vermutet werden, diese Verwirrtheit der Menschen könne verbessert werden, wenn es einen Ort der Buße gäbe.

 


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